Martin Durkins Film «Climate: The Movie» verbreitet mithilfe propagandistischer Methoden Skepsis gegenüber dem Klimawandel. Von gerechtfertigter Kritik ist das Werk, das in rechtsgerichteten Medien gefeiert wird, meilenweit entfernt.
Sven Titz
4 min
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Die Warnungen vor dem Klimawandel seien nur eine Erfindung, um den Menschen Angst zu machen und um sie zu kontrollieren. Das ist die These des Films «Climate: The Movie». Seit 21.März ist er auf Youtube, Vimeo, Telegram und weiteren Plattformen zu sehen. Die Reaktionen unterscheiden sich stark. Das britische Wochenmagazin «The Spectator» sieht in dem Film ein Heilmittel gegen «Klimaangst», und die «Weltwoche» feiert das Werk gar als ein Meisterwerk der Aufklärung. Auf Internetportalen wie «Science Feedback», die nach eigenen Angaben Desinformation bekämpfen, wird der Film hingegen scharf kritisiert. Facebook versieht ihn darum mit einem Warnhinweis. Die meisten Qualitätsmedien ignorieren die Veröffentlichung des Films.
Der ungefähr 80 Minuten lange Dokumentarfilm des britischen Fernsehproduzenten und -regisseurs Martin Durkin zeichnet das Bild einer von staatlich finanzierten Wissenschaftern gesteuerten Manipulation der Öffentlichkeit. Angst vor dem Klimawandel wird nach seinen Angaben verbreitet, um an Geld und Macht zu kommen und die Freiheit und den Wohlstand der ahnungslosen Bevölkerung zu beschneiden.
Wissenschafter, die für Aussenseiterthesen bekannt sind
In der ersten Hälfte nimmt der Film die Wissenschaft vom Klimawandel aufs Korn, in der zweiten befasst er sich mit den politischen Konsequenzen. Aussagen von Wissenschaftern und anderen Akteuren wechseln sich mit kunterbunt zusammengestelltem Bildmaterial ab.
Was die Forschung angeht, vertraut der Filmemacher einer Gruppe von Wissenschaftern, die seit Jahren Aussenseiterthesen zum Klimawandel vertreten. An zwei Beispielen kann man erkennen, wie wenig stichhaltig deren Aussagen sind.
- Die Physiker Nir Shaviv und Henrik Svensmark breiten ihre Behauptung aus, kosmische Strahlung – beeinflusst durch die Sonnenaktivität – habe die Wolken in den vergangenen Jahrzehnten verändert und dadurch massgeblich zur Erderwärmung beigetragen. Dieses Thema wurde bereits ausführlich von Klimaforschern untersucht. Sie sind zu dem Schluss gelangt, dass der Einfluss kosmischer Strahlung die Erderwärmung der vergangenen Jahrzehnte nicht einmal ansatzweise erklären kann. Die Zunahme der Treibhausgase hingegen ist die weithin akzeptierte Erklärung der Erwärmung.
- Eine andere These vertreten in dem Film der Wirtschaftswissenschafter Ross McKitrick und der Raumfahrtingenieur Willie Soon: Sie sagen, bei den Analysen der Temperaturen sei der städtische Wärmeinseleffekt vernachlässigt worden – also der lokale Temperaturanstieg aufgrund starker Bebauung. Wenn man diesen Effekt berücksichtige, sei die eigentliche Erwärmung viel kleiner. Nun ist der Wärmeinseleffekt laut Klimaforschern zwar real, doch er wird bei Auswertungen von Messstationen, die in urbanen Gebieten stehen, schon seit langer Zeit rechnerisch abgezogen, um bereinigte Werte zu erhalten.
Es fällt schwer, unter den Aussagen zur Klimaforschung, die in dem Film präsentiert werden, überhaupt welche zu finden, die man ernst nehmen könnte. Die meisten Thesen sind schon vor Jahren entkräftet worden oder es handelt sich um Übertreibungen oder Spekulationen. Teilweise mangelt es den Thesen auch an Relevanz für die Diskussion.
Der Film verfolgt die These einer grossen Manipulation
Die Auswahl der Statements im Film ist völlig einseitig. Weder im wissenschaftlichen noch im politischen Teil kommen Protagonisten zu Wort, die auch nur den leisesten Zweifel an der Hauptthese aufkommen lassen würden. Durkin zeichnet das Bild einer von staatlichen Experten gesteuerten Manipulation. Bildungseinrichtungen und grosse Teile der Medien beteiligten sich an der Verbreitung der vermeintlichen Irrlehre; Wissenschafter, die mit ihren Thesen ausscherten, würden benachteiligt oder ganz verstossen.
Auf dem Feld der Klimadebatte ist Martin Durkin kein Unbekannter. 2007 veröffentlichte der Filmemacher «The Great Global Warming Swindle». Schon in dem damaligen Dokumentarfilm äusserten sich einschlägig bekannte Forscher, von denen mehrere in «Climate: The Movie» wieder auftauchen, überaus kritisch zum Klimawandel. Und schon damals wurde der Film von der Fachwelt zerrissen. Der amerikanische Meeresforscher Carl Wunsch schrieb in einem Brief an die Produktionsfirma von einem «regelrechten Propagandastück».
Durkin hat keine neuen Argumente gesucht
Auch «Climate: The Movie» trägt propagandistische Züge. Der Regisseur hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, bekannte Argumente, die bereits entkräftet worden sind, auszusortieren und stattdessen neue Argumente zu suchen.
In früheren Jahren war Durkin laut eigenen Aussagen ein «echter Marxist», doch inzwischen gilt er als libertär. Durkin produzierte mehrere Dokumentarfilme für den Fernsehsender Channel 4, darunter auch das oben erwähnte Werk «The Great Global Warming Swindle». Viele seiner Filme riefen Kontroversen hervor. Immer wieder sprach er sich gegen übermässige staatliche Ausgaben aus. 2016 warb er mit einem Film für den Brexit. «Climate: The Movie» dürfte nicht sein letzter politischer Agitationsfilm bleiben.
Es ist sicher notwendig, Übertreibungen und Fehlinformationen über den Klimawandel zu benennen, die zur Dramatisierung dienen, und Massnahmen zum Klimaschutz auf ihre Machbarkeit und ihren Nutzen zu überprüfen. Viele Klimaaktivisten stellen die Gefahr durch die Erderwärmung dramatischer dar, als sie sich bei genauem Hinsehen zeigt, und es gibt nicht wenige Journalisten, die dabei mitmachen. Auch herrscht in manchen Institutionen ein Gruppendruck, der bedenkliche Ausmasse angenommen hat.
Ein völlig irreführendes Zerrbild von der Klimaforschung und der Klimapolitik zu zeichnen, wie das Durkin mit seinem Film tut, hat aber ein ganz anderes Kaliber. Zwischen der Kritik an Übertreibungen und propagandistischen Methoden besteht mehr als nur ein gradueller Unterschied. Dies zu bedenken, sollte für alle Medien selbstverständlich sein.
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